Lupus est homo homini
« | 26 Feb 2022 | »Während 1000 km von mir entfernt Schusswaffen abgefeuert werden, habe ich sie heute wieder aus meiner DVD Sammlung rausgesucht: Eine der vermutlich bedeutendsten Folgen aus der Serie Star Trek Deep Space 9.
Es war die 8. Folge der 7. Staffel, in der das sonst so sterile Set von Raumschiffen durch die raue Kulisse eines Stellungskrieges ausgewechselt wurde und wo nur Waffengewalt und Zerstörung die Handlung dominierten.
Und in dieser Folge spricht der sonst listige (außerirdische) Geschäftsmann einmal ernsthaft seinem Neffen ins Gewissen, der seinen Dienst in der Verteidigungstruppe antritt:
Menschen sind ein wundervolles zuvorkommendes Volk, so lange sie den Bauch voll haben, … aber wenn du ihnen ihre leiblichen Genüsse entziehst, ihnen z.B. die Nahrung vorenthältst und den Schlaf … dann wird das ihr Leben … in Gefahr bringen und genau die selben freundlichen, intelligenten und überaus zuvorkommenden Menschen, die werden plötzlich so gefährlich, und so gewalttätig, wie der schlimmste blutrünstigste Klingone.
(Zitat aus DS9-S7-E8.)
Armin Shimerman in der Rolle des “Quark” und der inzwischen leider verstorbene Aron Eisenberg als junger Kadett “Nog” werden mir vor allem in dieser Szene immer in Erinnerung bleiben.
600 Kilometer westlich von Wien endet Österreich beim Bodensee. Die gleiche Strecke nach Osten (leicht nördlich) auf der Landkarte aufgetragen befindet man sich bereits in der Ukraine, einem Land in dem diese Woche russische Truppen einmarschiert sind und mit schwerer Kriegsmaschinerie auf die Hauptstadt Kiew geschossen wird.
Ich kenne weder Russen noch Ukrainer persönlich, verstehe nichts von der dortigen Lage und bilde mir auch nicht ein, ein Urteil über Recht und Unrecht abgeben zu können.
Aber vielleicht gibt es in der großen Stadt Kiew jemanden, der mir irgendwie ähnlich ist. Ein nerdiger Typ, der viel Zeit vor dem Computer verbringt und einfach nur Spaß daran hat, irgendwelche Problemchen mit seinen Maschinen zu lösen. Einer, der auch sein Hobby zum Beruf gemacht hat und einfach nur sein Leben leben will.
Nun schlagen Geschosse in Familienhäusern in seiner Nachbarschaft ein. Seine Mutter und seine Schwester werden mit Nottransporten weggebracht, doch er und sein Vater werden einberufen. Ihnen wird eine Waffe in die Hand gedrückt und sie sollen mit anderen Männern die Heimat verteidigen.
Was wäre, wenn unsere Rollen vertauscht wären?
Er säße in Wien und könnte Codes tippen und ich müsste nun bewaffnet durch die Gassen von Kiew laufen.
Ich kann es mir einfach nicht vorstellen.
Ich kann an Szenen aus Filmen und Serien denken, wo am Ende wieder alles
gut wird.
Ich kann Nachrichten lesen und dann einen Kommentar drunter schreiben,
wie furchtbar das sei …
aber wirklich vorstellen kann ich es mir nicht.
Ich würde innerlich vermutlich von Angst und Unverständnis zerfressen werden. Ich könnte es einfach nicht fassen, wie es passieren konnte, dass nicht nur mein Eigenheim, sondern auch mein Lebensinhalt gerade zerschossen wird.
Es würde mich nicht interessieren, was Politiker sich gedacht hatten
oder eben nicht gedacht hatten, als sie Öl ins Feuer gossen, warum sie
unverfroren zündelten oder ignorant zusahen, als andere zündelten.
Denn ich würde einfach nur nach Hause wollen, in mein unbeschadetes
Zuhause von gestern, als die Welt noch in Ordnung war.
Ich finde keine Worte, die ich weder meinem fiktiven “Coding-Bruder” in Kiew, noch seiner Familie, noch seiner Nation sagen könnte, die hinreichend trösten können.
Ich werde dem Spendenaufruf folgen, damit ich behaupten kann, ich hätte versucht zu helfen, aber den Menschen wirklich helfen kann nur die Einstellung aller Kampfhandlungen.
Wie? Wie konnte es geschehen, dass Nachbarn auf einander schießen?
Es gab keine Hungersnot, keine Naturgewalt.
Es war einfach nur “ein Wille zur Gewalt”.
Die alte lateinische Zeile
beschreibt, wie wir Menschen bis heute sind:
Nämlich unfähig das niedere Tier (den Wolf) in uns zu überwinden.
Und ausbaden dürfen das stets jene, die sich am wenigsten dagegen
wehren können.
Den Opfern der Kriegshandlungen in der Ukraine (auf beiden Seiten) gilt mein Mitgefühl, denn hier kämpfen Menschen ohne einen ideologischen Grund gegen einander. Nachbarn wurde aufgetragen auf einander zu schießen.
Die DS9 Folge S07E08 endet für Star Trek ungewöhnlich düster. Denn … die Opfer eines Krieges können nicht ungeschehen gemacht werden. Man kann nur noch den Toten gedenken und stets einmahnen, diese Opfer nie zu vergessen, wie auch das Serienzitat aufzeigt:
Wir dürfen das niemals vergessen.