PIPO Windows-ARM-Tablet
« | 30 Jan 2021 | »Windows-on-ARM … war für mich bisher ein Mysterium. Zwar konnte ich für diese Plattform schon lange Kompilate erstellen, aber ich hatte keine Hardware um sie darauf auszuführen.
Und so ein Microsoft-Surface irgendwas um 1000 Euro ist mir für einen simplen Test viel zu teuer.
Doch unter der Marke PIPO W12 gibt es eines der letzten ARM Tablets unter 500 Euro und ein solches nenne ich nun “mein Eigen”.
Wie, was und woher?
Aliexpress.com listete das Gerät um ca. 370 Euro + 20 Euro Versand. Unsere Zollbehörde hat dann noch 95 Euro draufgeknallt, aber das war es dann auch.
Das Tablet wurde 2019 auf den Markt gebracht und nachdem Lenovo und andere Hersteller ihre Win-ARM-Tablets leider wieder vom Markt genommen haben, war dieses Modell neben Microsofts teurer Surface-Schiene das einzige, was ich aktuell finden konnte.
Mit 8 GB RAM rechnet der Snapdrogon 850 in dem A4 großen Tablet brav vor sich hin, taktet seine 8 Kerne nur auf etwas über 1 GHz im Leerlauf. Wenn er aber ausgelastet wird, geht er schon mal gerne auf knapp 3 GHz hoch.
Da merke ich auch den krassen Unterschied in Sachen Reaktion im Gegensatz zu meinem x86-Atom-x5 Tablet, das immer nur langsam in die Gänge kommt. Und die 2880x1920 Pixel sind ein angenehmes Erlebnis auf dem 12 Zoll breiten Touchdisplay.
Mit der 230 GB SSD (250 GB mit der üblichen falschen Rechnung) konnte ich mein C-Laufwerk auf 130 GB verkleinern, damit die Daten eine separate Partition bekommen.
Auf der Seite findet man den bei Tablets üblichen kleinen Einschub für
eine SIM-Karte und eine
Mikro-SD-Karte. Man braucht hier
eine Nadel oder sehr feine Pinzette um das kleine Plastikgerüst aus dem
Gerät herauszuziehen.
Das ist immer wieder eine Frickelei und für das Auflegen und
wiedereinschieben der Karten braucht man eine ruhige Hand.
Aber bei solch dünnen Modellen geht das eben nicht anders.
Die magnetisch “ansaugbare” Tastatur ist US-basiert … gut, das wird bei mir
wieder ein paar Tastenverwechslungen führen, wenn ich Sonderzeichen und
Klammern brauche.
Lästig ist nur, dass die erste Taste Links unten FN
und nicht Ctrl
ist.
Dieses mich störende Design haben leider auch viele Laptops.
Windows on ARM
Endlich! Und es geilt mich schon ein bisschen auf, mal so eine exotische
Hardware in den Händen halten zu dürfen. Windows sieht fast so wie immer aus,
außer, dass wir neben Program Files (x86)
auch noch Program Files (arm)
auf c:
haben. Denn die ARM64 Plattform (C:\Program Files
) ist einerseits
zu ARM32
kompatibel so wie X64
mit X86
umgehen konnte, und parallel
können auch X86 Windows Programme per Emulation ausgeführt werden.
Das sieht man auch am neuen SysArm32
, welches das bekannte SysWOW64
in c:\Windows\
ergänzt.
Genau dieses Feature war es wohl, was die ersten Windows on ARM Geräte scheitern ließ, weil sie es nicht unterstützten. Denn als Microsoft mit Windows 8 ihren ersten ARM Gehversuche machte, war X86 eben nativ nicht ausführbar und man gestattete nur native ARM32 Metro-Apps, oder plattformunabhängige dotNet Software.
Doch nun kann ich sogar das aktuelle Visual Studio 2019 vollständig auf meinem ARM Tablet installieren und ausführen, obwohl dieses nur für die X86 Plattform bereitgestellt wird.
Und das ist ECHT GEIL !!
ARM64 Debugging
Studio, CMake, Git
und der GATE Source Code kamen also genau so auf das ARM Tablet wie auf einen
normalen PC und dann startete ich mit CMake die ARM64 Projektgenerierung.
Alles lief genau so wie unter X86.
Dann kompilierte ich das gesamte GATE Projekt einmal durch … ebenso alles
ohne Probleme unter ARM64.
Doch das Starten der Debug-EXEn schlug fehl … weil es keinen Debugger gab.
Microsoft hatte nie eingeplant, dass jemand direkt auf einem ARM Gerät entwickelt und empfiehlt stets nur Remote-Debugging.
Nun gut, auch das geht. Man installiert die Visual Studio Debugging Tools
für ARM64 und konfiguriert Visual Studio für Remote-Debugging auf localhost
.
Dann muss man noch die Pfade der kompilierten Programme eintragen und …
WOW, alle GATE-UI Tools fahren hoch, laufen nativ auf ARM64 und können Stück für Stück durchschritten werden.
Fazit
Also, ich bin echt beeindruckt. Meine bisherigen Sparefroh-200-Euro-Tablets sind allesamt nicht Visual-Studio-tauglich. Doch das verhältnismäßig günstige PIPO Tablet schafft es problemlos mit VS umzugehen trotz der zusätzlichen Emulationsschicht.
Es gibt zwar gelegentlich mal ein paar Haken beim Öffnen eines Projektes oder beim Starten von Build-Jobs, aber das habe ich auf meinem Core-i3 ebenso.
Fast bin ich ein bisschen traurig, weil alles so perfekt beim ersten Anlauf
funktioniert hat. Ich brauche gar nichts großartig anpassen.
Hier zeigt sich also, dass die gesamt Windows API vollständig auf ARM
vorhanden und (so weit ich es prüfen kann) verhaltensgleich ist.
Mit diesem neuen Erkenntnisstand möchte ich einen Aufruf starten:
Ihr Hersteller da draußen! Baut endlich ganze ARM basierte PCs! Denn endlich laufen Windows und alle sein Goodies darauf und je mehr native ARM Apps es gibt, um so leistungseffizienter wird die neue Hardware werden.
Denn wenn ARM Chips eines gut können, dann ist das Strom sparen und zusammen mit der aufgeräumteren CPU-Architektur gibt es vielleicht noch ganz andere Potentiale zu entdecken, die unsere Zukunft positiv mitgestalten können.