Defragmentierung

Die Defragmentierung von Festplatten war früher eines der schönsten Schauspiele, die ein DOS oder Windows PC mit sich brachte.

Heute ist sie in Vergessenheit geraten, obwohl im Hintergrund immer noch stückweise “optimiert” wird.


Geschichte

Datenträger werden unordentlich, wenn ständig Daten gespeichert und wieder gelöscht werden. Im Idealfall ist eine Datei nämlich in einem zusammenhängenden Block gespeichert, womit das Lesen linear in einem Stück erfolgen kann. Doch beim Löschen von Daten entstehen unregelmäßige Lücken, die nicht mehr von ganzen Dateien befüllt werden können, und somit müssen zusammenhängende Daten quer über den Datenträger verteilt gespeichert werden.

Und weil das damals auf mechanischen Festplatten viel Zeit kostete, wurde mit der “Defragmentierung” ein Werkzeug erschaffen, dass Dateien so lange hin und her verschob, bis wieder alle Stücke lückenlos hintereinander angeordnet waren.

DOS

DOS 6 lieferte das erste grafische defrag.exe Programm mit, welches die Festplatte als Blockmenge am Textbildschirm darstellte und man förmlich zusehen konnte, wie die verstreuten Blöcke wieder zusammengesetzt wurden.

DOS defrag.exe

Ein toller Nebeneffekt war übrigens, dass Verzeichnisse alphabetisch sortiert wurden. Der Aufruf von dir lieferte vor der Defragmentierung die Einträge in der Reihe ihre Anlegung, danach konnte man schön von A-Z durchblättern.

Windows 9x

Ähnlich sah die Defragmentierung unter Windows 95/98 aus. Hier konnte man bereits scrollen und sah für jeden logischen Speicherblock ein Kästchen und je größer die Platte wurde um so länger wurde die Liste.

Win95 Defrag

Windows 98 fügte dann noch Optimierungen hinzu, dass häufig genutzte Dateien an den Anfang der Festplatte verschoben wurden, was mit Geschwindigkeitsgewinnen beworben wurde.

Windows NT 4

NT4 hatte kein Defragmentierung-Tool dabei, weil man bereits verkündet hatte, dass das neue NTFS Dateisystem so effizient sei, dass es zu keinen Fragmenten mehr kommen sollte (bzw. dass diese dann egal wären).

Doch so ganz stimmte das auch nicht, und so lieferten Dritthersteller solche Tools nach.
oodefrag war eine kostenlose Variante, die ich damals einsetzte. Sie setzte den Internet-Explorer 5.0 und die MMC voraus, was beides kein Grundbestandteil von NT war und nachinstalliert werden musste.

MMC 1.2 for NT 4

O&O Defrag 2000 Freeware Edition

Windows 2000/XP

Mit NT 5 (also Windows 2000) lieferte Microsoft wieder selbst ein Defragmentierung-Tool mit und ließ es auch automatisch von Zeit zu Zeit im Hintergrund durchlaufen. Die Anzeige wurde stark vereinfacht und zeigte nur noch einen Querbalken an, der ein Laufwerk und seine Daten repräsentierte.

Win2000 Defrag

Die Darstellung von einzelnen Blöcken wurde durch die stark gewachsene Speichergröße unmöglich gemacht. Startete man zu Windows NT Zeiten noch mit Festplatten im 1 GB Bereich, musste ein Windows Server 2003 schon mit 100 GB und mehr umgehen können.
Diese Datenmengen kann man nicht mehr sinnvoll durch einzelne Kästchen oder Bildpunkte darstellen.

Ab Vista und Windows 7

Ab NT 6 (Windows Vista) erreicht die Defragmentierung quasi ihr endgültiges Aussehen. Nun sehen wir nur noch eine Prozentzahl in einer Listview, die während der Defragmentierung hochzählt.

Win7 Defrag

Diese Optik wurde leicht angepasst auch in Windows 8, 10 und 11 sowie den entsprechenden Server Varianten übernommen.

Win10 Defrag

Windows unterscheidet seit dieser Zeit aktiv zwischen klassischen Festplatten und neuen SSDs und führt auf der moderneren Hardware keine übliche Defragmentierung mehr durch.

Der als “Optimierung” bezeichnete Vorgang sendet nun das TRIM Kommando an die SSD um freie Sektoren dem SSD-Controller zu melden. Dieser kann deren Speicherzellen dann intelligent wiederverwenden und braucht den Inhalt nicht bewahren.

Mit SSDs ist es egal, ob Dateistücke hintereinander liegen, denn der Zugriff auf die einzelnen Sektoren erfolgt durch den Controller annähernd gleich schnell und außerdem organisiert dieser die Daten intern nach anderen Kriterien. Die Daten des logischen Sektor 2 müssen in der SSD nicht “direkt hinter” dem logischen Sektor 1 liegen.
Eine klassische Defragmentierung ist hier also unnötig und nutzt durch das Umschreiben lediglich die Speicherzellen sinnlos ab.

SSDs trotzdem defragmentieren

Will man aber dennoch alle seine Dateien defragmentiert Sektor für Sektor hintereinander vorliegen haben, lässt sich Windows über das Konsolenkommando
defrag C: /PrintProgress /FreespaceConsolidate dazu bewegen.

Das hilft vor allem, wenn man ein Laufwerk verkleinern möchte und freien Platz am Ende des Datenträgers sicherstellen will. Die “Konsolidierung des freien Speicherplatzes” ist auch sinnvoll, wenn man ein Low-level Image eines Datenträgers anlegt, denn dann liegen die Dateien auch dort in einem Stück hintereinander in der Image Datei.
Ich würde jedoch ein WIM Image einem Sektor-für-Sektor Image vorziehen, und für dism und .wim Dateien ist die Fragmentierung wiederum gleichgültig.

Fazit

Das Defragmentieren der Festplatte gehörte um das Jahr 2000 herum zu den üblichen “Wartungsvorgängen”, die man unwissenden Kunden als notwendigen Service aufschwatzen konnte, und was auch immer eindrucksvoll präsentierbar war.

Heute klicke ich eher zufällig jedes halbe Jahr auf den “Optimieren” Knopf, meist nach einem größeren Cleanup oder Backup.
Geschwindigkeitsvorteile bringt einem das keine mehr ein … doch es bewirkt immer noch den Placebo-Effekt, dass man glaubt, man hätte danach einen saubereren Datenträger vor sich.

In diesem Sinne:

Defragmentiert immer brav eure Festplatten!