Online und Update Zwangsneurose

Ein großes Problem in Sachen Softwarequalität sehe ich im heutigen Zwang von Programmen, nur dann zu funktionieren, wenn ein Online-Zugang vorhanden ist.

Und damit meine ich gar nicht die Gefahr eines Totalausfalls des Internets, sondern spreche eher vom Konsumentenschutz.


Ein lustiges Beispiel:

Als ich vor 7 Jahren Pokemon Schwarz für den Nintendo DS gekauft habe, war im Spiel die Nutzung eines Online-Modus vorgesehen, die sogenannte Traumwelt. Dort erhielt man einige Pokemon, die im regulären Spiel nicht verfügbar waren. Doch dieser Dienst wurde 2013 mit der nächsten Spielegeneration einfach abgeschaltet.
Damit wird ein Teil des Produkts unbrauchbar, und die Exemplare, die sogar heute noch zum Vollpreis in Läden angeboten werden, sind damit Out-of-the-Box beschädigt.

Noch viel schlimmer sieht es mit PC Software aus, die einen Aktivierungsserver voraussetzt, und wo das Unternehmen pleitegegangen ist. Die eigentlich lauffähige Software verweigert dann den Dienst und ist (obwohl einwandfrei erhalten) plötzlich als Ganzes defekt.

Und so zieht sich eine immer größer werdende Spur an Software-Müll durch die Kaufportale des Internets.

Da lobe ich mir doch meine alten CDs und Disketten, denn was da drauf ist, lässt sich auch in 10-20 Jahren (zumindest auf Emulatoren ) noch ausführen.

… denke ich dann bei mir und tatsächlich habe ich weniger Probleme mit Uralt-Programme, als mit welchen von vor 5 Jahren.

Besonders ärgerlich ist es, dass Microsoft die Server für ältere Office-Versionen deaktiviert hat. Das heißt dann, dass mein Office 2003 immer noch perfekt funktioniert, aber Office 2007 nun tot ist ???

Bei allem Respekt, aber gerade die Kosten von Aktivierungsservern sind heute derart gering, dass man mit einer Maschine durchaus jene Retro-Fans für die nächsten Jahre weiter versorgen kann.

Offline-Software lebt länger

Für mich bedeutete Softwarequalität eben auch, dass ein Programm nach 10 Jahren noch problemlos ausführbar sein soll.
Von alter Software sind bestenfalls technische Gründe bekannt, warum sie heute nicht mehr lauffähig ist. Zum Beispiel:

  • Anzeige und Speicherung von Jahreszahlen vor 2000 (Y2K)
  • Funktionen auf zu neuen CPUs, die Aufgaben zu schnell erledigen (z.B.: Warte-Schleifen laufen über)
  • Überläufe wegen damaliger Hardwaregrenzen, die heute nicht mehr gelten (z.B.: Laufwerke mit Größen über 2 GB)
  • Deaktivierung von antiken Schnittstellen oder direkten Hardwarezugriffen (z.B.: Win16-Programme, die of IO Ports zugreifen)

Vieles davon lässt sich aber durch Emulatoren umgehen.

Onlineserver, die gerne auch verschlüsselt kommunizieren, können nicht so einfach nachgebaut werden. Während Updates für Windows NT oder Windows 2000 auch als Service-Packs bis zum Support-Ende bereitgestellt wurden, erhielt Windows XP sein letztes Service-Pack im Jahr 2007. Doch bis zum Jahr 2014 gab es Updates, die online bezogen werden konnten. Noch läuft dieser Dienst, doch seine Abschaltung ist nur eine Frage der Zeit.

Und während Industriesoftware früher mit Hardware-Dongle-Lösungen lizenziert wurde, die auch recht lange halten, setzen leider auch in diesem Bereich immer mehr Produkte auf Online-Aktivierung.

Ich konnte ja letztes Jahr live mitverfolgen, wie schnell eine Firma eingehen kann. Da wird dann der Server ein Jahr später einfach abgedreht und damit fallen alle Onlinedienste einfach weg.
Software, die auf solche Server vertraut, fällt dann einfach aus.

Fazit

Also liebe Programmierer-Kollegen da draußen:

Denkt doch bitte auch mal an eure Kunden. Die wollen von euch Qualität kaufen, die eben nicht jährlich durch etwas Neues ersetzt werden muss.
Gestaltet Updates und Aktivierungsroutinen so, dass sie ohne Internet also offline möglich sind.

Wir erleben heute viele Retro-Tends eben WEIL Software aus den 80er und 90er Jahren heute immer noch lauffähig sind.
Es wäre doch Schade, wenn die Techniker der 2030ern und 2040ern die Tools von heute nicht mehr Aufleben lassen und “cool” finden können!

… von den wirtschaftlichen Möglichkeiten mal ganz zu schweigen …