Großvaters Baum

Meine Mutter erzählte mir schon so manche interessante Geschichte rund um meinen Großvater, doch eine, die mit dem Weihnachtsbaum, war eine besondere.


Meine Großeltern sind leider früh verstorben, und so habe ich an meinen Großvater so gut wie keine Erinnerung mehr, da ich bei seinem Tod 6 Jahre alt war.
Und obwohl ich noch einige Weihnachtsabende mit Großmutter verbringen konnte, so habe ich überhaupt kein Bild von Weihnachten im Kopf, wo beide dabei waren.

Vor über 60 Jahren

Es gab mal eine Zeit, in der meine Mutter als Kind auf den Weihnachtsabend wartete. Und in jenen Tagen war es Großvaters Aufgabe, im eigenen Wald den richten Baum für das Weihnachtsfest zu finden, zu schlägern und für die Bescherung vorzubereiten.

Und ich finde es lustig zu hören, dass die Wahl des Baumes öfters fast zum Auslöser eines Streites zwischen Großvater und Großmutter geworden wäre.
Denn Großmutter liebte es, die ganze Familie beisammen zu haben und idyllisch unter einem prächtigen Weihnachtsbaum Lieder zu singen.
Großvater hingegen liebte seinen Wald und war stolz auf die schönen Bäume, um die er sich das ganze Jahr gekümmert hatte. Nie hätte er “den besten Baum” nur für eine Woche zu Fall gebracht.

Und so erzählt mir meine Mutter heute noch, wie sie die Worte ihrer Mutter vernahm, die sie vorwurfsvoll an Großvater richtete:

Von allen Leuten im Dorf haben wir den schiefsten und armseligsten Krampen im Zimmer stehen.

Bis zur Bescherung hatte sich der Rauch wieder gelegt und es wurde auch mit dem “nicht-schönsten” Baum stets ein schönes Fest.

Symbole

Ich kann beide Großeltern gut verstehen.

Schließlich verprassen wir wirklich viel zu viele Ressourcen nur für ein paar Tage um ein Bilderbuch-Bild von uns selbst zu malen. Danach fliegen die Bäume auf die Straße und werden zu Müll, anstatt dass sie uns wertvollen Sauerstoff über ihr gesamtes Leben liefern.
Da hatte Opa also recht, wenn er nur den “unschönsten” Baum fällen wollte.

Und dann gibt es da diese vielen Geschichten, von Leid und Armut, und wie ein Ereignis, ein geschmückter Baum wieder Freude in die Gesichter der sonst frustrierten Menschen zeichnen kann. In der Stube sitzt man das ganze Jahr beisammen, doch wenn der Baum im Kerzenlicht erstrahlt, schaffen wir Erinnerungen, über die wir noch Jahrzehnte später sprechen werden.
Da hatte Oma also recht, wenn sie den schönsten Baum haben wollte.

Frohe Weihnachten!

Heute sind meine Großeltern wieder in meinen Gedanken … und vor allem wegen der Geschichte mit dem Weihnachtsbaum.

Obwohl ich viel zu wenig Zeit mit ihnen teilen konnte, weiß ich, dass ich vieles heute nicht hätte, hätten sie nicht so viel Zeit und Arbeit für mich aufgebracht.

Und deshalb teile ich heute die Sprüche, den die beiden meiner Mutter beibrachten, und die sie mich lehrte:

Großvater:

Prahl’ nicht mit dem Erreichten groß! Du stehst auf deiner Ahnen Schultern bloß!
Wie Stein auf Stein empor sich fügt zum First.
Du bist nur Giebel, bis du Sockel wirst!

(Eine freie Fassung von Die Mauer der Menschheit).

Großmutter:

Wenn dich die Menschen auch kränken, weine nicht. Alles kannst du dir denken, sagen nicht. Geh’ immer lachend durchs Leben, hast du auch Kummer und Schmerz Hilfe wird dir niemand geben, denn Menschen von heut’ haben Herz.

Und von meiner Urgroßmutter lernten wir:

Du kannst so jung nicht bleiben, bleib denn so gut und rein. So wirst du stets wie heute, der Liebling aller sein.