Webhosting 1.0

Als ich etwa im Jahr 2001 “das Internet” entdecken durfte, wollte ich auch meine eigene Webseite haben. Aber bezahlen … nein … für so etwas reichte das Taschengeld nicht.

Also begann die Suche nach gratis Webhostern.


Provider Webspace

Viele Internetzugänge waren Anfang der 2000er “automatisch” mit Webspace ausgestattet, und zwar mit sagenhaften Dimensionen von 5 - 10 MB Speicherplatz insgesamt. http://www.your-hoster.tld/members/username war damals üblich für private URLs, und deshalb hatten viele Jung-Web-Enthusiasten eine kostenlose Umleitung einer .tk oder .vu Subdomains zum eigenen Space eingerichtet.

Hochgeladen wurden die rein statischen Inhalte über FTP, und manchmal gab es sogar eine “dynamische” Webseite zum Uploaden einzelner Dateien per Browser-Upload.

PHP oder irgend ein anderer Script Support war bei diesen Diensten nicht zu finden, doch dafür hatten viele ein unerträgliches Flash-Element eingebunden, mit dem man “dynamische Inhalte” client-seitig simulieren konnte.

Werbung 1.0

Mit dem Suchbegriff Free Webhoster fanden das damals noch sehr junge Google oder Klassiker wie Yahoo!, Lycos und AltaVisa oder das deutsche fireball.de einige Anbieter, die kostenlos HTML Files bereitstellen ließen, wenn dafür Werbung auf diesen Seiten eingeblendet wurde.

Der Trick war denkbar einfach:
Jeder .htm oder .html Datei fügte der Webserver ein paar Zeilen hinten an, wodurch per Javascript ein Inlineframe oder etwas Ähnliches eingefügt wurde, wo dann Texte oder Grafiken aufblinken sollten. Parallel dazu wurden Popups geöffnet um darüber zu informieren, dass man als 1000ster Besucher ein Auto gewonnen hätte.

Doch die Webtüftler von damals hatten schnell heraus gefunden, dass sie ihr eigenes HTML Dokument einfach nur entsprechend “enden” lassen mussten, um die lästigen Einblendungen “weg-scripten” zu können.

Codes wie

1<body>
2  ... 
3  my content ends
4</body>
5<div style="display:none">

oder

1<body>
2  ... 
3  my content ends
4</body>
5<!--
6

bewirkten, dass nachfolgende Elemente entweder unsichtbar wurden (z.B. Werbebilder am Ende der Seite), oder dass nachfolgender <script> Code nicht mehr ausgeführt wurde.

GeoCities

Angefangen hatte ich mit GeoCities, wo man genau einen solchen Werbe-Script-Webspace kostenlos zugesprochen bekam.

Nicht, dass ich damals wirklich relevante Inhalte hätte vorzeigen können. Man wollte einfach eine Webseite herzeigen können, ohne wirklich etwas darauf zu haben, was herzeigbar hätte sein können.

Tatsächlich habe ich dort dann auch 2 oder 3 Texte zum INT 13h geschrieben um mit meinen rudimentären DOS Assembler Kenntnissen zu prahlen. Zum Glück hat sich diese Peinlichkeit dann beim Untergang von GeoCities selbst gelöscht.

Die Werbeeinblendung fand ich aber damals schon sehr unseriös und so suchte ich schnell nach einer Alternative:

Piranho.de

Piranho.de war ein deutscher Webhoster, der von zwei damals jungen Enthusiasten aufgebaut wurde und stark auf eine Forum Community hinarbeitete.
Man erhielt (was auch sehr selten war) kostenlos eine Subdomain username.piranho.de wie auch username.piranho.com und hatte formal unbegrenzt Speicherplatz. Doch die einzelnen Dateien durften nicht größer als 100 KB sein, was üppige Fotos einschränkte, aber in der damaligen Zeit “akzeptabel” war.

Eine Grundidee war, dass jeder User seine Dateien kostenlos über ein Web-Upload-Formular hochladen und administrieren konnte, doch wer mehr wollte, musste sich im dortigen Webforum betätigen und fleißig Beiträge schreiben.
Denn - ich glaube - monatlich wurden unter den besten Teilnehmern dann FTP-Accounts verlost, womit diese größere Dateiuploads durchführen konnten.

Tatsächlich endete dann meine Motivation eine eigene Webseite zu haben recht bald, doch das Piranho Forum hat mich dann noch recht lange bei der Stange gehalten, weil es dort auch ein C++, Delphi und Visual-Basic Board gab, wo stets Fragen zu diesen Sprachen kamen, und ich selbst auch gelegentlich mal etwas gepostet hatte.

Das ging dann ein paar Jahre so weiter, bis ich dann “aus beruflichen” Gründen immer weniger Zeit fand, am Abend noch Beiträge zu lesen.
Doch alle paar Monate war dann doch wieder Lust und Laune am Wochenende da, kurz ins Forum zu blicken.

Facebook und Co haben dann ab 2007 erfolgreich alle Foren und deren Communities zerstört und damit war Piranho faktisch auch tot. Heute findet man nur noch ein trauriges Logo auf der Domain und niemand vermutet, dass zwischen 2001 und 2005 auf dieser Seite keine 10 Minuten vergingen, in denen nicht ein neuer Beitrag eröffnet wurde.
Es ist eigentlich ein Drama, dass all diese Interaktion und auch viele dort verfassten Workshops offenbar verloren gegangen sind.
Nur das Internet Archive zeigt ein paar Bilder aus dieser Zeit:

Snapshot 2001
Snapshot 2003
Snapshot 2004
Snapshot 2005
Snapshot 2007

Die lange Ruhe

Ein Freund hatte damals (um 2004) die Idee bei einem Webhoster eine Domain zu kaufen und diese als Reseller weiterzuverkaufen.
Mit dem Gedanken (und vor allem wegen des dummen Namens der Domain) musste er damit natürlich scheitern.
Denn wer kauft schon eine kleinere Wohnung im Internet “in Untermiete”, wenn er an jeder Ecke eine halbe Villa fast kostenlos im Eigentum bekommt.

Doch mit mir hatte er für viele Jahre einen treuen Kunden, der den dortigen Webspace bis 2010 glaube ich unbenutzt hat liegen lassen.

Zwischendurch konnte ich aber immer wieder mal bei Bekannten und Verwandten die eine oder andere Webaufgabe übernehmen und dort ein paar HTML, Javascript oder PHP Zeilen “im Netz” verbauen.

Erst Ende 2018 war die Motivation wieder groß genug, selbst ein Webprojekt starten zu wollen, was bekanntlich auch zu diesem Blog geworden ist.

Fazit

Web 1.0 war eine gute Sache und eines muss ich ganz klar sagen:
Mit meinen statisch generierten HTML Seiten bin ich bis heute (zum Glück) gänzlich von Hacker Attacken verschont geblieben, während Projekte von Bekannten alle paar Jahre mit ihren Content-Management Systemen zusammenbrechen.

Zwar war ich nie ein Community-Mensch, aber trotzdem trauere ich dieser Zeit, in der alle Webentwickler sich gegenseitig überbieten wollten und dann in einem Forum darüber prahlten, manchmal nach.

Und eines habe ich dadurch auch lernen müssen:

Das Internet ist EXTREM vergesslich.

Denn fast keine der alten Web 1.0 Seiten von damals ist heute noch zugänglich. Nur web.archive.org hat ein paar Eindrücke von damals konserviert.