Als die Erde still stand
« | 24 Dec 2020 | »Die Lösung vieler Probleme der Menschen wäre so einfach:
Entschleunigung
Doch nein, man muss noch einkaufen, anrufen, buchen, bestellen, bezahlen, rückabwickeln, …
Das COVID-19 Corona Virus hat uns eines bewiesen, was bisher immer angezweifelt wurde:
Es geht auch anders.
Hat man uns nicht immer gesagt, man könne den Flugverkehr nicht anhalten, weil das einfach nicht geht? Autobahnen sind immer befahren, die Straße schläft nie. Und jeder von uns MUSS X mal Urlaub im Ausland machen, weil sonst hätte man ja “nichts zu erzählen”.
Plötzlich gibt es eine Krankheitsmeldung und dann passiert, was viel zu lange
nicht mehr geschehen ist: Der Planet kann sich endlich von seiner Infektion
durch die Menschheit erholen.
Die Tier- und Pflanzenwelt kann aufatmen, weil der Feinstaub zurückgeht,
weil wir nicht für 100 Schritte ins Auto steigen.
Seismographen entdecken
erstmals, dass die Welt weniger zittert, weil wir es mal ruhig haben
angehen lassen.
Und ich hatte ein sehr entspanntes Arbeitsjahr, in dem ich vielleicht sogar mehr gearbeitet habe, als in den Jahren zuvor, und dennoch war ich glücklich. Vielleicht weil ich nicht ständig auf Urzeiten achten musste. Weil ich während Meetings zur Toilette konnte und per Headset mithören konnte (Mikrofon natürlich stumm geschaltet!) und nicht mit Druck auf der Blase 20 Minuten ausharren musste. Oder weil ich mal ungezwungen aufstehen konnte, auf und ab gehen konnte und dafür am Abend ein paar Minuten länger “im Dienst” geblieben bin, ohne dass gleich ein Bürokratiekrieg aufzog.
Heute heißt es im katholischen Österreich wieder:
Das sollten wir uns wieder mal mehr verinnerlichen. Nämlich, dass Stille alleine etwas Heilsames haben kann.
Musste erst ein Virus kommen, das uns etwas klar macht, was die Philosophen vor Jahrtausenden diskutiert hatten? Anstatt allem mit Hektik und Panik zu begegnen kann man auch mal durchatmen, mit den Augen zwinkern und sich bewusst machen, dass die Welt nicht zusammenbricht, wenn man einfach mal ruhig ist.
Jeden Tag wird so viel “gedacht”, dass zum Nachdenken keine Zeit bleibt. Warum eigentlich? Darüber sollte man mal nachdenken ….
Und dann gibt es noch jene, die bereits heute spüren, was unser überhastetes Leben ausgelöst hat. Jene, die heute nicht ruhig sein können, weil ihnen der verlorene Arbeitsplatz das Einkommen gekostet hat und dafür jede Menge Sorgen ausbezahlt hat.
Wir haben Aktienkurse (reine Zahlenspiele auf Computern) zuerst
hochgetrieben, und nun am Boden aufschlagen lassen.
Wir waren unachtsam, mussten an alle Orte der Erde hetzen, damit wir uns jetzt
im Lockdown vor dem Übel, das wir selbst mitgebracht haben, gehörig fürchten
können.
Wir sind unzufrieden und ärgern uns täglich über alles was die anderen falsch
gemacht haben, dass wir gar nicht mehr Zeit finden, uns selbst zu verbessern.
Gleichzeitig sind wir so tief im Selbstmitleid eingesunken, dass wir jene vor
unserer Haustüre gar nicht mehr wahrnehmen, wenn sie um Hilfe rufen.
Meine Firma hat dieses Jahr begonnen, Menschen vor die Tür zu setzen, so wie viele andere Unternehmen auch. Schließlich musste man etwas gegen “die schlechten Zahlen” unternehmen. Bloß nicht zu viele auf einmal, damit weder Staat noch Presse etwas ahnen und damit “der Markt” nicht beunruhigt wird.
Jenen ehemaligen Kollegen und deren Familien gilt daher dieses Jahr mein Weihnachtsgedenken. Aber es gilt auch meinen Vorgesetzten, auf denen ebenso der Druck des Systems liegt, dem sie akribisch dienen.
Deshalb passt an diesem Weihnachtsabend das Stück
“Eine Weihnachtsgeschichte” (A Christmas Carol)
von Charles Dickens vielleicht
viel besser zu uns, als einheimische traditionelle Lieder.
Ein solcher Blick in den Spiegel kann tiefgründiger sein, als eine
Plastik-Bethlehemkrippe zu begutäugen. Und wenn wir uns unserer
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft mal bewusst werden, schlagen wir den
richtigen Weg vielleicht ganz von selbst ein.
Weil wir dieses Jahr so deutlich wie selten zu vor gelernt haben:
Dass wir uns ändern können
Frohe Weihnachten!