80486 heute?

Was war das für eine tolle Zeit, als man beim Einsetzen einer ISA Karte eine Bluttransfusion brauchte, weil man sich an den Lötkontakten und den messerscharfen unbehandelten Platinenkanten die halbe Hand zerfetzt hatte.

Ja das war, als ich meinen damals schon veralten 486er PC mit Erweiterungskarten stückweise “nutzbar” machen wollte.


Während mein damaliger 486er auch heute noch in meinem alten Zimmer am Zweitwohnsitz steht, habe ich seinen kleinen Bruder für ein paar Tests wieder in den Dienst einberufen.

Ich hatte einen Compaq 486 DX-33 irgend wo vor der Verschrottung gerettet und ihn Ende der 90er Jahre zu einem meiner Netzwerk-Experimentierkästen auserkoren.

Das Gerät hat also knapp 30 Jahre auf dem Buckel und ich war überrascht, dass es immer noch brav startete. Offenbar hat man damals Kondensatoren für die Ewigkeit gebaut, denn auf meinen ITX Boards um das Jahr 2005 musste ich schon den einen oder anderen Elko auslöten und ersetzen.

Ich sag nur: #Früher-war-alles-besser.

486-Board

Nach dem Wegblasen und Wegwischen einer dicken Staubschicht, wurden Mainboard und CPU sichtbar.

486-CPU

Dieser Gerät war das einzige aus der damaligen Zeit, das schon über PS/2 Maus und Tastaturanschlüsse verfügte, denn fast alle meine anderen Geräte vor dem Jahr 2000 setzten noch auf den DIN-Stecker und eine Maus über den COM-Port.

486-Backside

Nach einigem Suchen konnte ich endlich auch noch eine ISA Netzwerk-Karte finden, die ich vermutlich schon damals in dem Gerät verbaut hatte. Diese Karte mit dem RTL8019AS Chip konnte sowohl mit einem BCN-Kabel, als auch mit heutigen RJ-45 Ethernet Kabeln umgehen … allerdings nur bis 10 MBit.

RTL8019AS

ATX Adapter

Meine Frage war konkret:

Kann ich einen 486 heute überhaupt noch betreiben?

Denn da die heutigen ATX-Netzteile nicht mit den damaligen AT-Netzteilen kompatibel sind, stirbt mit dem Netzteil auch der Rest.

Doch diese listigen Chinesen haben extra für Leute wie mich ATX zu AT Adapter auf ihre Bestellseiten gesetzt, und da konnte ich einfach nicht widerstehen. Vor allem nicht bei einem Preis von 1-2 Euro pro Stück.

ATX to AT Adapter

Grundsätzlich ist die Sache nicht schwer. Denn die üblichen Spannungen von 12 V, 5 V und 3.3 V gab es damals wie heute. Nur die Stecker zum Mainboard sahen anders aus.

Da man früher die PCs mit mechanischen Schaltern aus und einschalten musste, sind aus dem Adapter zwei Kabelenden herausgeführt, deren Kurzschluss dem Netzteil die Bestromung befiehlt.
Man könnte die beiden Enden leicht mit einem Kippschalter verbinden, und im Gehäuse verbauen (wenn man wollte).

Als Netzteil musste wieder einer meiner alten ITX Spannungswandler herhalten. Die vertragen ca. 90 - 120 Watt und damit in etwa genau das, was das alte 486er Netzteil auch lieferte.
Mein freies externes Netzteil war aber nur für 72 Watt zugelassen, weshalb ich mich dazu entschied, das Experiment mit dem Labornetzteil durchzuführen.

486 läuft mit ATX-Strom

Um die Stromaufnahme weiter zu reduzieren, ersetzte ich die 300 MB Festplatte durch eine meiner IDE-SSDs mit 256 MB

Und siehe da, es funktionierte.

Nach einer kurzen Spitze von 3 Ampere bei 12 Volt beim Einschalten, lief der 486er problemlos an und verbrauchte je nach Aufgabe zwischen 1.9 und 2.3 Ampere. Die alte mechanische Festplatte hätte da sicher noch 1-2 Ampere draufgeschlagen. Mit einem 72 Watt Netzteil ist man also stark genug, so lange man keine weiteren Geräte wie CD-Laufwerke einbaut.

Apropos Festplatte.
Die war etwas mühsam, denn das damalige BIOS konnte Festplatten nicht automatisch erkennen und erwartete die Eingabe der genauen Zylinder, Kopf und Spuren-Anzahl.

Was für ein Glück, dass mein altes VIA-EPIA ITX Mainboard daneben lag. Dort konnte ich im BIOS die IDE-SSD erkennen lassen und die geforderten Werte notieren.

Zurück am 486 tippte ich die Werte ein um dann festzustellen, dass es anfangs nicht funktionierte.
Ich musste den 486 vom Strom nehmen und neu einschalten, damit SSD und Board korrekt über die gespeicherten Werte mit einander reden konnten.

Danach nutzte ich meine alten DOS Disketten um die Festplatte zu partitionieren und im Anschluss Windows 3.1 zu installieren.

Fazit

Wieder mal ein Nostalgie Moment nach 20 Jahren, denn so lange hatte ich das Gerät nicht mehr in Betrieb genommen.

Was mich besonders freut ist die Tatsache, dass wir heute immer noch Möglichkeiten haben die alte Hardware weiter zu betreiben. Es gibt bekanntlich auch heute noch Industriesysteme, die seit 20 Jahren mit Software “von damals” täglich brav ihr Werk tun.

Für Administratoren ist das zwar ein Alptraum, aber mir beweist das, dass auch in der kurzlebigen IT ein Hauch von Dauerhaftigkeit zumindest möglich ist.
Und sollte morgen ein EMP alle Computer hinwegraffen wollen, dann überleben vermutlich die alten Blechkisten von damals am ehesten das jüngste Gericht.

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Wenn sich eine triviale Erkenntnis mit Dummheit in der Interpretation paart, dann gibt es in der Regel Kollateralschäden in der Anwendung.
frei zitiert nach A. Van der Bellen
... also dann paaren wir mal eine komplexe Erkenntnis mit Klugheit in der Interpretation!